In einem im gestrigen Standard erschienenen Kommentar mit dem Titel „Eine Bühne für die Hetzer?“ nimmt der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici den Medien-Hype rund um die Grazer Kommunalwahlen, aber insbesondere das Auftreten von Strache und Westenthaler im Rahmen der ORF-Talk Show Im Zentrum am Wahlabend, zum Anlass, für einen Appell an den ORF, den Hetzern von FPÖ und BZÖ bisweilen mit Ignoranz zu begegnen. Ravinovici schreibt: „Das dritte Lager mag gespalten und halbiert sein, aber die Rundfunkanstalt verdoppelt. Wo früher ein Schreihals das Gespräch übertönte, krakeelten jetzt zwei. Strache verhöhnte den Moderator Peter Pelinka, Westenthaler den Politologen Filzmaier. Beide griffen nicht die politischen Gegner, sondern unabhängige Beobachter an. Ihr Stil, ob persönliche Beleidigung, stetes Unterbrechen oder rassistische Diskriminierung, ist Gesinnung, die Form Inhalt. (…) Es wäre durchaus angebracht, die Freiheitlichen zuweilen rechts liegenzulassen. Es ist so durchschaubar und langweilig, immer nur mit Strache, Mölzer oder Westenthaler Quote machen zu wollen. Gegen den Rassismus nicht Stellung zu beziehen, hieße vor ihm zu kapitulieren, aber wenn News auf schrille Fotos der bösen Bubenpartien und der Boulevard auf das Spiel mit dem Ressentiment verzichteten, wäre dies in der Tat eine den Freiheitlichen angemessene Form der Ignoranz.„
Man muss die betreffende Sendung nicht gesehen haben, und ich habe sie nicht sehen wollen, um zu wissen, dass dem nichts hinzuzufügen ist. Höchstens der Verweis auf eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundeskommunikationssenates, der auch als Rechtsaufsichtsbehörde über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF fungiert. Darin heißt es unter anderem: „Der ORF hat zur Erfüllung seines Auftrags zur umfassenden Information Sorge dafür zu tragen, dass die Vielfalt der Meinungen in einem Programm in seiner Gesamtheit zum Ausdruck kommt; es besteht also kein Anspruch einer politischen Partei oder einer Interessenvertretung auf Präsenz in einer bestimmten Sendung; entscheidend ist vielmehr, dass es insgesamt allen nennenswerten politischen Kräften möglich ist, ihre Meinungen darzulegen.“
Folglich besteht auch keine, aus dem Objektivitätsgebot des ORF (§10 ORF-Gesetz) abzuleitende Notwendigkeit für den ORF, rechte Hassprediger in einer ORF-Sendung auftreten zu lassen. Im Gegenteil: Deren Auftreten kann als permanenter Verstoß gegen die im selben Paragrafen in den Absätzen 1 und 2 festgelegten Allgemeinen Grundsätze des ORF gesehen werden. So heißt es in §10 Absatz 1 ORF-Gesetz: „Alle Sendungen des Österreichischen Rundfunks müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihre Inhalte die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten„, und in Absatz 2 wird postuliert: „Die Sendungen dürfen nicht zu Hass auf Grund von Rasse, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion und Nationalität aufreizen.“
Eine Anmerkung sei noch angebracht:
Der Stil der Rechten ist Gesinnung, die Form ist Inhalt. Genau so ist es. Und, da es so ist, ist es auch nicht wirklich überraschend, wenn sie nicht nur „politische Gegner, sondern unabhängige Beobachter“ attackieren. Nun wäre es in der Tat eine Chuzpe, wenn man von einem dieser „unabhängigen Beobachter„, dem Moderator der Sendung Im Zentrum, der zugleich als Chefredakteur des Wochenblattes NEWS dessen Nicht-Journalismus und das jahrelange Haider Foto-Shooting, das Rabinovici zu Recht moniert, zu verantworten hat, erwarten würde, dass er Krakeelern, zu deren Wahrnehmung er allwöchentlich publizistisch beiträgt, etwas entgegen setzen könnte. Wer zu Talk Shows mit rechten Dumpfbacken hingeht (oder zusieht) und sich zivilisierte Debatten erwartet, der darf sich im Nachhinein nicht die Augen reiben, wenn sie nicht stattgefunden haben.
Wer zu Debatten mit Dumpfbacken hingeht, von dem erwarte ich mir, dass er mit der notwendigen Verve dagegen hält, tief schießen kann und vor dem Austeilen und Einstecken verbaler Watschen nicht zurückschreckt. Für alle, die das nicht können oder nicht wollen, sollte gelten: Vermeidet das Hingehen, wenn ihr nicht den Verstärker der Dumpfbacken abgeben wollt!
Den Dumpfbacken in diesem Land wurde und wird eine breite Bühne freiwillig und ohne Zwang immer wieder zur Verfügung gestellt. Verständlich, dass der Drang einfach nicht „hinzugehen“ immer größer wird. Dadurch überlassen wir aber den Schreihälsen freiwillig das Feld und diese fühlen sich noch in ihrer aggressiven Art bestätigt. Die Hoffnung, dass System führe sich selbst ad absurdum ist leider nicht berechtigt. So mühsam es ist, lasst uns um die öffentlichen Räume kämpfen, bieten wir den Schreihälsen Parole, solidarisieren wir uns und bündeln alle intellektuelle Kraft im Kampf gegen den rechten Mob!
du bringst es auf den Punkt: es ist mühsam und es erfordert strategien, um dem rechten Krakeelern Parole zu bieten. nichts anderes wollte ich zum ausdruck bringen. ohne konzepte, die auf die jeweiligen formate abzustellen sind – und eine talk show, wie der name schon sagt, ist eine show -, wird es aber nicht gehen.